ORTE DER KRAFT

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5 Fotografien in der Größe 70×105 cm, 2022

Spirituelle Erfahrungen gehören zu den fundamentalen und sinnstiftenden Erfahrungen menschlichen Daseins. Sie sind Kern der verschiedenen Weltreligionen, spielen aber auch jenseits der großen Religionen eine zentrale Rolle. Das gilt gerade für die scheinbar säkulare Moderne, in der die Suche nach Spiritualität und Sinn im selben Maße angewachsen ist, wie ein Teil der Religionen mit ihren Institutionen und Dogmen an Bindungskraft verloren hat. Zu einer spirituellen Strömung, die sich jenseits der Religionen entwickelt hat, gehört heute der sogenannte Neopaganismus. Zwar grenzt er sich von den großen Religionen ab, greift aber auch auf synkretistische Weise auf einen Teil ihre Symbole, Praktiken und Rituale zurück und verbindet sie mit naturreligiösen Anschauungen. Ein wichtiges Element stellen für den Neopaganismus Kraftorte dar, mit denen sich eine bestimmte Energie verbindet. Prinzipiell können sie überall gefunden oder geschaffen werden, doch sind es besonders Orte in der Natur, an denen diese Energien lokalisiert und rituell bekräftigt werden. Mit ihrer fotografischen Arbeit Orte der Kraft ist Susan Wright solchen Orten im Teutoburger Wald nachgegangen. Die fünf durch Stelzen geerdeten Fotografien zeigen in zumeist leichter Aufsicht durch Steinkreise, Schriftzeichen und bunte Bänder markierte Felsen, Bäume, Böden. Oft sind es auffällige Felsformationen, alte oder besonders gewachsene Bäume, die Kraftorte darstellen. Schon die mythischen und Naturreligionen mit ihrer pantheistischen Auffassung einer von göttlichen Kräften durchwalteten Natur haben ihre rituellen Orte bis hin zu Tempeln auf solchen topografischen Besonderheiten gegründet. Susan Wrights Fotografien sind dadurch gekennzeichnet, dass die entsprechenden Stätten erst auf den zweiten Blick zu entdecken sind. Zunächst begegnet den Betrachter*innen ein Landschaftsbild, ein profanes Stück Mischwald, das in fahlem Licht fotografiert ist und die Aufmerksamkeit auf geologische und vegetative Strukturen lenkt. Mit ihrem fehlenden Grün und den umgefallenen Bäumen assoziieren die Fotografien gleichzeitig einen durch den Klimawandel zusehends zerstörten Wald. Wenn die Umweltthematik auch nicht im Vordergrund steht, weisen die Fotografien von Susan Wright dennoch daraufhin, dass der Wald als eine doppelte, physische und spirituelle Energieressource zu schützen ist.

Text: Prof. Dr. phil. Kirsten Wagner